• Qualität seit über 250 Jahren
  • Über 350 Partnerhändler weltweit
  • Sicher einkaufen mit Trusted Shop

Tagged with 'Komische Oper Berlin'

Werk der Woche – Hans Werner Henze: Das Floß der Medusa

Schiffbruch im Flughafen: Das Oratorium Das Floß der Medusa von Hans Werner Henze eröffnet die neue Spielzeit der Komischen Oper Berlin. Im Hangar 1 des Flughafen Tempelhof inszeniert Tobias Kratzer die groß angelegte Frage nach der Menschlichkeit, die sich um das berechnende Ertrinkenlassen von unterprivelligierten Menschen auf hoher See dreht. Die Premiere findet am 16. September 2023 statt, musikalisch geleitet von Titus Engel. 

weiterlesen

Werk der Woche – Hans Werner Henze: The Bassarids (Die Bassariden)

Da zurzeit nahezu alle Opern- und Konzerthäuser der Welt geschlossen sind, richten wir in dieser Woche den Blick auf eine aktuelle Inszenierung von Hans Werner Henzes The Bassarids – Die Bassariden. Die Produktion der Komischen Oper Berlin ist als kostenloses Video on Demand bei OperaVision zu sehen. Die Kritiken zur Inszenierung von Barry Kosky und musikalischen Umsetzung durch Vladimir Jurowski waren herausragend; es ist also eine ausgezeichnete Gelegenheit, die Tiefen dieses epochalen Meisterwerks ausgiebig zu erkunden.  Das Video finden Sie am Ende dieser Seite. 

Die Handlung orientiert sich an den Bakchen des Euripides. Das Libretto entstammt der Feder von W. H. Auden und Chester Kallman. Bei seinem Antritt der Herrschaft über Theben spricht Pentheus zuallererst ein Verbot des Dionysos-Kultes aus. Wie sich später herausstellt, hat Pentheus diese Rechnung jedoch ohne Dionysos gemacht. Dieser kommt nämlich in Gestalt eines Fremden nach Theben und stiftet Pentheus zur heimlichen Beobachtung der nächtlichen Riten an. Dabei wird der Herrscher Thebens in Frauenkleidung durch seine eigene Mutter, Agaue, erschlagen, die ihn für ein wildes Tier hält. Das grausame Erwachen folgt am nächsten Morgen: Erst jetzt realisiert Agaue ihre Tat. Dionysos zeigt seine wahre Identität, enthüllt den vollzogenen Plan als Racheakt an Pentheus und verlangt die bedingungslose Verehrung durch das Volk von Theben.

[caption id="attachment_70475" align="aligncenter" width="600"] Hans Werner Henze (rechts) mit Regisseur Gustav Rudolf Sellner (links) und den Librettisten Chester Kallman und W. H. Auden bei der Uraufführung von "Die Bassariden" 1966 in Salzburg [Foto: Heinz Köster][/caption]

Hans Werner Henze: The Bassarids – Pole der menschlichen Existenz


Der Einakter besteht aus zwei Teilen und ist formal an eine viersätzige Symphonie angelehnt. Die große Besetzung, Komplexität des Librettos und vielschichtige musikalische Faktur machen die Aufführung von The Bassarids zu einem ambitionierten Projekt. Mit Dionysos und Pentheus stehen sich zwei Pole der menschlichen Existenz gegenüber, die auf der Grundlage des antiken Stoffes zahlreiche Bezüge zur Gegenwart zulassen.
Die Bassariden, die ich heute viel besser verstehe und die ich viel mehr liebe als damals, als ich sie schrieb, für mich bedeuten sie heute mein wichtigstes Theaterwerk. Interessant und modern und uns angehend und eigentlich auch die Jahre um 1968 angehend sind eben die Fragen: Was ist Freiheit, was ist Unfreiheit? Was ist Repression, was ist Revolte, was ist Revolution? All das wird eigentlich bei Euripides gezeigt, angedeutet, angeregt. Die Vielzahl, der Reichtum der Beziehungen, der greifbar-sensuellen Beziehungen zwischen dieser Antike, dieser Archais, und uns wird durch den Auden’schen Text hergestellt, und Euripides wird herangezogen in unsere Zeit, und zwar in einer Weise, wie es auch die brillanteste Regie mit dem griechischen Original nicht machen könnte, bei dem eben immer die Distanz zu einer anderen und lang zurückliegenden Zivilisation sich manifestiert. – Hans Werner Henze

Das Video on Demand ist noch bis zum 13. April zu sehen, eine letzte Aufführung der Produktion an der Komischen Oper Berlin ist für den 26. Juni geplant.     

Foto: © Komische Oper Berlin / Monika Rittershaus

Werk der Woche: Aribert Reimann - Die Gespenstersonate

In Berlin ist Aribert Reimann in diesem Jahr allgegenwärtig; an allen drei großen Opernhäusern stehen Neuinszenierungen seiner Opern auf dem Programm. Am 25. Juni 2017 feiert Die Gespenstersonate an der Staatsoper im Schiller Theater in einer Inszenierung von Otto Katzameier Premiere. Die Staatskapelle Berlin spielt unter der Leitung von Michael Wendeberg im Rahmen des INFEKTION! Festivals für neue Musik.



Reimanns Oper Medea aus dem Jahr 2010 wird aktuell an der Komischen Oper gespielt. Im Herbst 2017 folgt die Uraufführung des neuen Musiktheater-Triptychons  L’invisible an der Deutschen Oper. Mit Die Gespenstersonate an der Staatsoper wird die Berliner Reimann-Reihe vervollständigt: Eine Anerkennung, die in dieser Form nur wenigen Komponisten zuteilwurde.

Wie schon Reimanns erste Oper Ein Traumspiel ist auch Die Gespenstersonate von 1984 aus einem Text des schwedischen Schriftstellers August Strindberg entstanden. Der Student Arkenholz, der die Gabe besitzt Tote zu sehen, wird von Direktor Hummel in das Haus des Obersts eingeführt, um dort um die Tochter des Hauses, das Fräulein, zu werben. Bei einem grotesken "Gespenstersouper" mit den Jahr für Jahr gleichen Gästen offenbaren sich Verstrickungen und düstere Geheimnisse. Mit der Frau des Obersts, der Mumie, die nunmehr im Wandschrank lebt, hatte Direktor Hummel einst eine Liaison, aus der das Fräulein hervorgegangen ist. Da Direktor Hummel den Mord an einem Milchmädchen begangen hat, wird er von der Mumie dazu verurteilt, sich im Schrank zu erhängen. Auch der Oberst ist nicht das, was er vorgibt zu sein: Er ist weder adelig, noch war er beim Militär. Selbst das unschuldige Fräulein ist krank und verkraftet die Realität nicht, mit der Arkenholz sie konfrontiert. Er selbst bleibt allein und desillusioniert zurück.

Die Gespenstersonate von Aribert Reimann: Eine Illusion zerbricht


Die Bewohner des Hauses geben sich den Anschein einer feinen Gesellschaft, zu der der Student Arkenholz Zugang begehrt. Innerhalb des Hauses sind die Personen in ihren Trugbildern gefangen, verdammt auf ewig in gleicher Routine zu leben. Direktor Hummel, obgleich von der Mumie letztlich zum Tode verurteilt, bricht durch die Einführung von Arkenholz mit der Tradition des immer gleichen Gespenstersoupers. Entsprechend kraftvoll und variabel ist sein musikalischer Ausdruck. Meist von tiefen Instrumenten wie Kontrabass, Fagott oder Bassklarinette begleitet, versucht er die Geschichte in seinem Interesse zu lenken. Die Mumie hingegen ist kraftlos, ihre Stimme brüchig, ihr Text immer wieder unterbrochen. Erst als sie über Hummel richtet, findet sie zu längst vergangener Vitalität zurück. Das charakteristische Instrument für den Oberst ist die Trompete. Diese soll die Illusion aufrecht erhalten, die er mit der Lüge über seinen militärischen Hintergrund geschaffen hat. Zart und zerbrechlich kommt der Sopran des Fräuleins, begleitet von der Flöte, daher. Sie ist von dem Netz aus Lügen, das sie umgibt, eingenommen und bereits fast in die Gespensterwelt entrückt.
In jeder Oper sollte jede Person ihre eigene Art des Singens haben, jeder hat sein eigenes Psychogramm, seine ihm eigene Art sich zu äußern. Das muss in der Strukturentwicklung der Singstimme angelegt sein, ebenso das musikalische Umfeld, das die betreffende Person umgibt. – Aribert Reimann

Nach der Premiere ist Die Gespenstersonate zwischen dem 27. Juni und dem 9. Juli noch in sechs weiteren Aufführungen auf der Werkstattbühne an der Staatsoper im Schiller Theater zu erleben.

 

Foto: © Wolfgang Runkel (Inszenierung der Oper Frankfurt)