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Werk der Woche – Toshio Hosokawa: Deine Freunde aus der Ferne

Sprechende Katzen, lebendige Teddybären und fliegende Fische - all das ist normal in Toshio Hosokawas Kinderstück Deine Freunde aus der Ferne. Das Stück wird am 03.03.2024 zum ersten Mal in Deutschland aufgeführt. Mitglieder des SWR Symphonieorchesters werden die deutsche Erstaufführung gemeinsam mit Erzähler Rainer Strecker in der Staatsgalerie Stuttgart bestreiten.

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Werk der Woche – Hans Werner Henze: Das Floß der Medusa

Mit dem Oratorium Das Floß der Medusa schuf Hans Werner Henze zusammen mit dem Schriftsteller Ernst Schnabel ein Werk über eine tragisch wahre Begebenheit. Die Erzählung über ein Schiffsunglück wird vom SWR Symphonieorchester unter der Leitung von Peter Eötvös am 15. November im Konzerthaus Freiburg und am 17. November 2017 in der Elbphilharmonie Hamburg gespielt.

1816 – Das Schiff Medusa mit 400 Menschen an Bord erleidet an der Westafrikanischen Küste Schiffbruch. Der Platz auf den Rettungsbooten ist zu knapp, so dass ein Floß gebaut wird, um die übrigen Passagiere an Land zu retten. Doch der Plan scheitert: Nach kurzer Zeit wird die Seilverbindung zwischen den Booten und dem Floß gekappt und die Menschen auf dem Floß ohne Vorräte ihrem Schicksal überlassen. Henze erinnert mit seinem Werk Das Floß der Medusa an das Schiffsunglück und richtet den Blick auf den Zeitpunkt an dem Moral, Gesetze  und gesellschaftliche Unterschiede wegbrechen. Henzes und Schnabels kapitalismuskritisches Werk ist im Angesicht der Flüchtlingskrise unserer Gegenwart und der vielen auf hoher See ums Leben gekommenen Menschen  von verstörender Aktualität.

Die Handlungsebene ist aufgeteilt in zwei Seiten: Leben und Tod. La Mort, also der Tod, wird durch eine Sopranistin dargestellt, die mit ihrem Sirenengesang versucht die Überlebenden auf ihre Seite zu ziehen.  Das Leben hingegen wird durch den Seejungen Jean- Charles verkörpert, der bis zum Ende ums Überleben kämpft, während nach und nach die anderen Menschen auf die Seite des Todes wechseln. Zwischen Leben und Tod vermittelt der Erzähler Charon, angelehnt an den Fährmann der Unterwelt aus der griechischen Mythologie.  Inspirationsquelle für Das Floß der Medusa bildet für Henze das Gemälde Le Radeau de la Méduse aus dem Jahr 1819 des französischen Malers Théodore Géricault, dessen Stimmungen und Figuren er auf die Musik überträgt. So ordnet er den lebenden Figuren Blasinstrumente zu und er setzt deren Atem und Schreie musikalisch um, wohingegen die Toten bei ihrem Übertritt ins Totenreich von Streichinstrumenten begleitet werden.
Le Radeau de la Meduse, das große im Louvre zu bewundernde Gemälde von Théodore Géricault, hatte ich deutlich vor Augen, als ich anfing, mir Gedanken über die Musik zu machen. Die Menschenpyramide auf dem Gemälde, an deren Spitze unser Held, der Mulatte Jean-Charles, erkennbar ist, wie er den roten Fetzen einem in großer Entfernung dahersegelnden Boot zuschwenkt, das poetisch die Hoffnung bedeutet und in der Tat vielleicht sogar die Rettung -  die ist gleich zu Anfang unseres Stücks präsent. – Hans Werner Henze

Im Rahmen des Programms "Elbphilharmonie+" lädt am 16. November ein Streichquartett aus dem SWR Symphonieorchester begleitend zu Das Floß der Medusa zu einem Gesprächskonzert, in welchem neben Musik von Béla Bartók und Emin František Burian Texte von Geflüchteten gelesen werden. Ein Mitschnitt der Aufführung in der Elphilharmonie ist am 26. November auf SWR 2 zu hören. Eine szenische Umsetzung des Oratoriums folgt ab dem 13. März 2018 an der Nationale Opera Amsterdam.

Werk der Woche – Luigi Nono: Il canto sospeso

"...Dein Sohn geht. Er wird die Glocken der Freiheit nicht hören", schrieb Konstantinos Sirbos, ein zum Tode verurteilter Grieche in einem Abschiedsbrief vor seiner Ermordung durch das NS-Regime. Dieses und viele weitere Brieffragmente nahm Luigi Nono als Basis für sein Werk Il canto sospeso ("schwebender Gesang"), das beim Musikfest Berlin vom SWR Symphonieorchester und dem SWR Vokalensemble am 11. September 2017 unter der Leitung von Peter Rundel zu hören sein wird. Solisten sind die Sopranistin Mojca Erdmann, die Mezzosopranistin Jenny Carlstedt und der Tenor Robin Tritschler.



Zur Zeit des Nationalsozialismus gab es zahlreiche Menschen, die gegen das Unrecht Widerstand leisteten. Vielen von ihnen wurden dafür zum Tode verurteilt. Ihre nur wenige Stunden vor ihrem Tod verfassten Briefe wurden 1954 in einem Dokumentarwerk veröffentlicht, das Nono als Grundlage für sein 9-teiliges Stück heranzog. In diesem verarbeitet er kurze Ausschnitte aus den Briefen der vierzehn- bis vierzigjährigen ermordeten Europäer. Er widmete es all denen, die im Kampf für die Freiheit ihr Leben ließen.

Luigi Nonos Il canto sospeso: Den Tod durch Musik überwinden


Nono stimmt zu Beginn mit einem schwebenden Orchesterklang auf den ersten Brieftext ein, den der Chor verkündet. "Ich sterbe für die Gerechtigkeit. Unsere Ideen werden siegen", wie ein junger bulgarischer Mann schrieb. Es folgt eine Episode, in der die drei Solisten simultan Brieffragmente dreier griechischer Patrioten vortragen. Den Höhepunkt des Stückes gestaltet Nono mit Zeilen einer Verurteilten, die beschreibt, wie ihre Mörder auf sie zukommen. Der Komponist vertont diese mit einem starken Kontrast von markerschütternden Blechbläser- und Paukenklängen, die sich schließlich über zarte Saitenklänge in Leere auflösen. Den Abschied einer Russin an ihre Mutter lässt der Komponist die Sopranistin alleine vortragen, unterstützt nur vom summenden Frauenchor und hohen Instrumenten. Die Abschiedsworte der zum Tode Verurteilten verbindet Nono durch instrumentale Intermezzi, die den Zuhörer in einer Atmosphäre des Abschieds und der Verzweiflung gefangen nehmen. Das Stück endet mit den Worten: "Ich gehe im Glauben an ein besseres Leben für euch", dargeboten von Chor und Pauken. Zurück bleibt eine Stimmung der Fassungslosigkeit. Il canto sospeso ist keine Textvertonung im traditionellen Sinne: Die Brieffragmente verarbeitet Nono auf eine Weise, die sie nahezu unverständlich macht. Stattdessen nutzt er sie als musikalische Mittel, um die Gesamtaussage zu intensivieren.

Werke des Gedenkens und Erinnerns gewinnen gerade in unserer Zeit zunehmend an Bedeutung. Bei Aufführungen stellen Kompositionen wie Il canto sospeso besondere Aufgaben an die Musikvermittlung und bieten Möglichkeiten zur Zusammenarbeit mit Bildungseinrichtungen, Institutionen und Vereinen. Über den unten stehenden Link gelangen Sie zu einer Auswahlliste mit weiteren geeigneten Werken. Offensichtlich haben Komponisten zu allen Zeiten daran geglaubt, dass sie mit Musik mahnen, erinnern, aber auch trösten und versöhnen können. Leonard Bernstein hat das so formuliert:
Das wird unsere Antwort auf Gewalt sein: Noch mehr, noch schöner, noch leidenschaftlicher Musik zu machen als jemals zuvor.

Wer Il canto sospeso in diesem Jahr im Konzert hören möchte, hat am 26. November bei der Biennale cresc... im Sendesaal des Hessischen Rundfunks in Frankfurt eine weitere Gelegenheit.