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100 Jahre Luigi Nono

Portrait Luigi Nono

Schott gedenkt dem großen venezianischen Komponisten der Nachkriegs-Avantgarde Luigi Nono. Von Gian Francesco Malipiero und Bruno Maderna in Komposition unterrichtet und von Hermann Scherchen ans Dirigieren herangeführt, nahm Nono 1950 erstmals an den Darmstädter Ferienkursen teil. Durch wegweisende Werke wie PolifonicaMonodia –  Ritmica“ entwickelte er sich schnell zu einem führenden Vertreter der neuen seriellen Musik.

Erste Schritte als Komponist

Luigi Nono wurde am 29. Januar 1924 in Venedig geboren. Ab 1941 erhielt er Kompositionsunterricht bei Gian Francesco Malipiero. Im Mittelpunkt des Unterrichts standen Werke des 16. und 17. Jahrhunderts sowie die im faschistischen Italien verbotene Musik der Zweiten Wiener Schule. Im Jahr 1942 nahm Nono auf Wunsch der Familie in Padua ein Jurastudium auf, das er 1946 mit seiner Promotion beendete. Im selben Jahr lernte er Bruno Maderna kennen, der ihm kostenlosen Kompositionsunterricht erteilte. Das Studium der franko-flämischen Komponistenschule weckte in ihm die Faszination für polyphone Kanontechniken. Ins Jahr 1948 fiel die Bekanntschaft mit dem Dirigent Hermann Scherchen, den Nono auf eine Konzerttour begleitete. Der Kontakt zu Scherchen ermöglichte die Auseinandersetzung mit der deutschen Musiktradition. Die gemeinsamen Analysen der Werke Weberns und Schönbergs steigerten die Bewunderung für beide Komponisten.

 

Nonos musikalische Reise: Von Darmstädter Anfängen bis zu „Il canto sospeso“

1950 reiste Nono erstmals zu den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik, wo seine „Variazioni canoniche sulla serie dell’op. 41 di Schoenberg“ zur Uraufführung kamen. Mit dem Aufgreifen der Zwölftonreihe aus Schönbergs antifaschistischer Ode to Napoleon op. 41 knüpft Nono, ab 1952 Mitglied der KP, an deren politische Aussage an. Bei einer Aufführung von Schönbergs Oper Moses und Aron in Hamburg lernte er dessen Tochter Nuria kennen, die er ein Jahr darauf heiratete. Ihr ist das Liebeslied für gemischten Chor und Instrumente gewidmet, das 1956 in London uraufgeführt wurde. Die 1955 in Darmstadt zum ersten Mal aufgeführten "Incontri per 24 strumenti" zeichnen sich durch komplizierte Spiegeltechniken sowie die Verwendung einer Zwölftonreihe aus, in der die Intervalle zickzackförmig auseinanderstreben. Von nun an waren weite, expressive Intervallsprünge typisch für die Melodik Nonos. Sein vielleicht bekanntestes Werk, Il canto sospeso“ für Sopran-, Alt- und Tenorsolo, gemischten Chor und Orchester, wurde 1956 in Köln uraufgeführt. Es handelt sich um eine Vertonung von Abschiedsbriefen zum Tode verurteilter Widerstandskämpfer. Nono strebte dabei eine Musikalisierung des Textmaterials an, indem er die Sprache in Silben zerlegte und ihren musikalischen Gehalt dadurch kompositorisch verfügbar machte.

 

Luigi Nono - Il canto sospeso

Il canto sospeso

Luigi Nono

 

Basierend auf Textstellen aus letzten Briefen zum Tode verurteilter europäischer Widerstandskämpfer und deren bezwingender musikalisch-seriellen Umsetzung gehört Il canto sospeso von Luigi Nono zu den bedeutendsten Werken des 20. Jahrhunderts. Die Faksimileausgabe stellt vierfarbig farbgetreu und im Originalformat die Quellen D-B, 55 Nachl 100/A, 265,1 und 55 Nachl 100/A, 266 dar. Im Anhang wird auch die spätere, finale Fassung von Nr. 3 (D-B, 55 Nachl 100/A, 265,2) abgedruckt. Versehen mit einem ausführlichen Vorwort von Christoph Flamm und einer Übersetzung ins Englische von Margit McCorkle. 

 

 

Nonos Einfluss auf die Musikszene in Osteuropa

In den folgenden Jahren war er als Dozent bei den Darmstädter Ferienkursen tätig, ab 1960 unterrichtete er in Polen, in der UdSSR, der CSSR und der DDR. Es entstand die erste elektronische Komposition "Omaggio a Emilio Vedova". Elektronische Klänge spielen auch in der 1960/61 entstandenen Oper "Intolleranza" 1960 eine wichtige Rolle. Das Stück erweitert das Konzept des Gesamtkunstwerks auf die kontrapunktische Verbindung von Bühnenbild, Bildprojektionen, Musik (inklusive Tonband und Lautsprecher) und Raum.

 

Trotz der avancierten Tonsprache in "Intolleranza" richtete sich die politische Botschaft der Oper nicht nur an das bürgerliche Opernpublikum. Vielmehr legte Nono darauf Wert, dass seine Werke in allen sozialen Schichten rezipiert wurden: Im Jahr 1962 wurden erstmals Diskussionskonzerte mit Aufführungen von Werken Nonos in italienischen Fabriken organisiert, die bis zu 5000 Zuhörer anzogen. Um sich der Verständlichkeit seiner Musik für die italienische Arbeiterschaft zu versichern, nutzte Nono für seine elektronischen Kompositionen auch Geräusche und Klänge, die er in Fabriken aufgenommen hatte.

 

Wanderer zwischen Klangwelten und politischer Aussage

Durch sein Spätwerk zieht sich das Motiv des Wanderns: Im Vordergrund steht die Erkundung des Klangs und der Prozess seiner Entstehung. Das Wandern des Klangs durch den Raum, zum Beispiel mittels entsprechender Lautsprecheranordnung, eröffnet dem Hörer eine immer wieder neue Perspektive auf das Gehörte. Eng verknüpft mit dem Aspekt des Wanderns ist die Suche nach immer neuen Klängen und Wahrnehmungsperspektiven; das Suchen wird zum eigentlichen Ziel des Komponierens, das dem ästhetischen Prinzip eines ständigen Wandels folgt. Als Sinnbild dieser Ästhetik des Wandels empfand Nono seine Geburts- und Heimatstadt Venedig. Er bewunderte bis ans Ende seines Lebens ihren Farbenreichtum, das immer neue Verschmelzen von Architektur und akustischen Eindrücken wie Glockengeläut. In Abgrenzung zum strengen Serialismus Karlheinz Stockhausens fand er auch in seinem Spätwerk die Verbindung von höchster Subjektivität und strengster Architektonik. 1990 wurde Luigi Nono der Große Berliner Kunstpreis für Musik verliehen. Er starb am 8. Mai des selben Jahres.

 

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