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Werk der Woche – Viktor Ullmann: Der zerbrochene Krug

In dieser Woche sind wir auf die Uraufführung der Kammerfassung von Viktor Ullmanns bekannter Oper Der zerbrochene Krug gespannt: Am 13. April 2018 ist das Werk in der neuen Fassung am Cuvilliés-Theater in München zu erleben. Die Inszenierung stammt von Andreas Weirich, es spielt das Münchner Kammerorchester unter der Leitung von Karsten Januschke.

Ullmanns Vertonung von Heinrich von Kleists berühmter Komödie entstand 1942 zwischen seinem Bühnenweihfestspiel Der Sturz des Antichrist (1936) und der Kammeroper Der Kaiser von Atlantis (1943). Die Partitur stellte der Komponist nur wenige Wochen vor seiner Deportation in das Konzentrationslager Theresienstadt fertig. Sie galt bis zu ihrer Entdeckung durch den Dirigenten Israel Yinon im Musikarchiv der Universität Prag als verschollen. Erst 54 Jahre nach seiner Entstehung fand das Werk  den Weg auf die Bühne: 1996 wurde die Originalfassung bei den Dresdner Musikfestspielen unter Yinons musikalischer Leitung uraufgeführt. Richard Whilds, Solo-Repetitor an der Bayerischen Staatsoper, fertigte 2017 für die Produktion der Bayerischen Staatsoper am Münchner Cuvilliés-Theater eine kleinere neue Fassung des Stücks an. Durch diese reduzierte Orchesterbesetzung kann die Oper nun auch in kleineren Spielstätten aufgeführt werden.

Viktor Ullmann – Der zerbrochene Krug: Eine versteckte Anklage auf das NS-Regime


Vordergründig folgt Ullmann mit seinem Libretto wortgetreu Kleists Text und bedient sich dabei der Vorlage eines von den Nationalsozialisten gefeierten deutschen Dichters. Aus der heutigen Perspektive heraus lässt sich Ullmanns Wahl dieses deutschen Lustspielklassikers als Grundlage für seine Oper als Kommentar auf das nationalsozialistische System begreifen. Denn der Komponist nimmt geschickt zuspitzende Kürzungen des Komödientextes vor, sodass die Handlung auf das Wesentliche reduziert ist: Das einaktige Werk thematisiert in der Geschichte des Dorfrichters Adam die Frage nach Recht und Schuld. Dieser muss wissentlich über sein eigenes Vergehen – den zerbrochenen Krug der Frau Marthe – urteilen und entlarvt sich dabei schließlich selbst als Täter. Besonders Ullmanns hinzugefügte Schlussmoral und der Ruf nach Gerechtigkeit ist als Kommentar zum Unrechtssystem des Nationalsozialismus zu betrachten:
„Fiat justitia,

damals wie ebenda:

Richter soll keiner sein,

ist nicht sein Herze rein.”

- Der zerbrochene Krug (Ullmann)

Die 50-minütige Kammeroper wird in der Münchner Produktion zusammen mit Ernst Kreneks tragischer Oper Der Diktator aufgeführt. Nach der Premiere am 13. April folgen vier weitere Aufführungen am 15., 25., 27. und 29. April. In der kommenden Ausgabe des Schott Journals (Mai – August 2018) stellen wir weitere Bühnenwerke vor, die speziell für kleinere Spielstätten oder reduzierte Besetzungen konzipiert sind.

Werk der Woche – Bernd Alois Zimmermann: Trompetenkonzert "Nobody knows de trouble I see"

Am 20. März jährt sich der Geburtstag von Bernd Alois Zimmermann zum 100. Mal. Zu diesem Anlass werden in diesem Jahr weltweit viele Konzerte mit seinen Kompositionen aufgeführt. So auch eines seiner bekanntesten Werke, das Konzert "Nobody knows de trouble I see" für Trompete in C und Orchester, das diese Woche das Helsinki Philharmonic Orchestra unter Leitung von Fabien Gabel und dem Solisten Håkan Hardenberger am 23. März und am nächsten Tag Paul Hübner zusammen mit dem WDR Sinfonieorchester dirigiert von Brad Lubman im Funkhaus Köln spielt.

Ursprünglich erteilte der NDR Zimmermann den Auftrag ein Klavierkonzert zu komponieren. Mit Verweis auf die große Anzahl an Klavierkonzerten konnte Zimmermann den NDR davon überzeugen, das vernachlässigte Soloinstrument Trompete zu fördern. Damit sei auch eine mögliche Wiederaufführung des Werkes wahrscheinlicher. Skizzen eines Trompetenkonzertes hatte er schon 3 Jahre zuvor angefertigt und führte sie nach Erteilung des Auftrags aus. Die Uraufführung folgte am 11. Oktober 1955 im Studio X in Hamburg mit dem Sinfonieorchester des Norddeutschen Rundfunks mit dem Trompeter Adolf Scherbaum unter dem Dirigat von Ernest Bour. Bei der Uraufführung hieß das Werk noch "Darkey’s darkness" – ein Wortspiel, das Zimmermann als Titel bevorzugte. Einige Jahre später wurde Zimmermann darauf hingewiesen, dass er unwissentlich mit der Bezeichnung "Darkey" eine poetisch überhöhte Form für einen Schwarzen gewählt hatte und so betitelte er sein Werk fortan "Nobody knows de trouble I see", angelehnt an das Spiritual, das in der Komposition als cantus firmus verwendet wird.

Bernd Alois Zimmermann – Trompetenkonzert: Mit Crossover zur Versöhnung


Das Spiritual ist das Zentrum des Konzerts, das vom Aufbau an ein Choralvorspiel angelehnt ist. Neben dieser modernen Art des cantus firmus werden Elemente des Jazz und eine Zwölftonreihe, die vage an eine c-Moll-Tonleiter erinnert, als Kompositionsgrundlagen verwendet. Diese spezielle Reihe zieht sich wie ein roter Faden durch das Gesamtwerk von Zimmermann: Sie findet unter anderem Verwendung in seinem Konzert für Oboe, seiner Filmmusik zu "Methamorphose" und in seinem Ballett Alagoana. Mit der Verschmelzung dieser drei heterogenen Gestaltungsprinzipien wollte Zimmermann nach eigener Aussage einen Weg der brüderlichen Verbindung aufzeigen. Dies lässt sich auf die politischen Gegebenheiten seiner Zeit zurückführen: Als Soldat erlebte er das menschenverachtende NS-Regime und während der Komposition des Werkes den Kampf der unterdrückten schwarzen Bevölkerung in den USA. Dies spiegelt sich auch in der veränderten Benennung des Spirituals. Statt "the" greift er im Titel "Nobody knows de trouble I see" zu der typischen "schwarzen" Schreibweise "de".
„Ich habe übrigens vor kurzem ein Trompetenkonzert mit dem Titel „Darkey´s darkness“ beendet. Dem Werk liegt der Negrospiritual „Nobody knows de trouble I see“ zugrunde, und es ist in seiner ganzen Faktur durch den Charakter dieses Negrospirituals mit der ganzen dumpfen und hoffnungslosen Trauer der schwarzen Rasse.“ – Bernd Alois Zimmermann 1954

Nach den Konzerten in dieser Woche ist das Trompetenkonzert auch in der kommenden Zeit regelmäßig zu hören. Am 6. April führt es das ORF Radio-Symphonieorchester Wien mit Håkan Hardenberger als Solist unter der Leitung von John Storgårds auf. Im Rahmen der Konzertreihe „Zeitinsel Bernd Alois Zimmermann“ (27.-29. April) stellt das SWR Sinfonieorchester unter der Leitung von Ingo Metzmacher die Werke Zimmermanns in den Fokus. Dort wird am 28. April das Trompetenkonzert erklingen. Solist ist bei dieser Aufführung ist auch Håkan Hardenberger.

Die aktuelle Ausgabe des Schott Journals ist dem 100. Geburtstag von Bernd Alois Zimmermanns gewidmet. Darin finden Sie viele aktuelle Veranstaltungen rund um das Jubiläum und einen Einblick in seine wichtigsten Werke.

Werk der Woche - Paul Hindemith: When lilacs last in the door-yard bloom‘d

2019 feiert die Welt den 200. Geburtstag des großen amerikanische Dichters Walt Whitman. Von ihm stammen die Worte für Paul Hindemiths Requiem When lilacmay s last in the door-yard bloom‘d. Das Werk  ist am 18. und 19. Januar 2018 in der Elbphilharmonie Hamburg mit Gerhild Romberger und Matthias Goerne als Soli sowie dem RIAS Kammerchor, dem NDR Chor und dem NDR Elbphilharmonie Orchester unter der Leitung  von Christoph Eschenbach zu hören.

Hindemith komponierte das Werk  für Mezzosopran, Bariton, gemischten Chor und Orchester im amerikanischen Exil kurz nach seiner Einbürgerung. Er verneigt sich damit vor dem Land, das ihn so bereitwillig aufnahm. Grundlage bildet Whitmans gleichnamiges Gedicht. Hindemiths Bewunderung für diese Dichtung drückte sich jedoch schon in früheren Kompositionen aus:  Bereits 1919 vertonte er die neunte Strophe in seinen 3 Hymnen von Walt Withman und in einem Lied der 9 English Songs in den frühen 1940er Jahren. Letzteres verwendete er auch in seinem 1946 vollendeten  Requiem, das im gleichen Jahr noch in New York uraufgeführt wurde. Die selbst angefertigte deutsche Fassung  kam erstmals 1948 in Perugia zur Aufführung.

Paul Hindemith: A Requiem ‚for those we love‘ – Gedenken an die Opfer des Krieges


Das Requiem war eine Auftragskomposition zum Tod des Amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt, wodurch eine geschichtliche Parallele zu Whitmans Gedicht entsteht: In diesem drückt der Dichter seine Betroffenheit angesichts des Todes Abraham Lincolns aus. Durch Hindemiths zusätzliche Bezeichnung „for those we love“ erlangt das Requiem jedoch über diesen Kontext hinaus größere Bedeutung. So bezieht er den in Whitmans Text thematisierten Frieden und die Verbrüderung der Feinde auf den ausgehenden Krieg und drückt seine Verzweiflung und Anteilnahme über das Schicksal der Juden während der NS-Zeit aus. Hierbei verarbeitet er musikalisch die poetisch-symbolischen Bildmotive Flieder, Vogel und Stern, die für Liebe, Gesang und Persönlichkeit stehen.
In jungen Jahren mag Landschaft, Stimmung, Erziehung und persönliche Verbundenheit zu Dingen und Ereignissen ein wichtiger Stimulus für die künstlerische Arbeit sein. Ich finde aber nun, dass die Geschichte von Personen, Ereignissen und Erlebnissen sowie ihre Interpretation und Gestaltung durch künstlerische Mittel gar nicht so sehr mit diesen Äußerlichkeiten verbunden ist. Es kommt darauf an, wie einer seine Erfahrungen verarbeitet und nicht darauf, immer wieder neue an Ort und Stelle zu sammeln… - Paul Hindemith

Besonders in der Aufnahme mit Cornelia Kallisch, Krister St. Hill, dem Rundfunkchor Berlin und dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter der Leitung von Lothar Zagrosek kommt Hindemiths Werk zur Geltung. Zu den bevorstehenden 200. Geburtstagen der Dichter Walt Whitman und Herman Melville im Jahr 2019 haben wir in der neuen Ausgabe von Schott Journal Repertoire zum Thema "American Romantics" zusammengestellt. Unten können Sie das Heft als PDF-Datei herunterladen und diese besondere Farbe der Weltliteratur in musikalischer Form entdecken.