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Werk der Woche – Nikolaj Rimskij-Korsakow: Die Legende von der unsichtbaren Stadt Kitesch und von der Jungfrau Fewronia

So ambitioniert, wie der ausufernde Titel vermuten lässt, war die vorletzte Opernkomposition von Nikolaj Rimskij-Korsakow. Zu sehen ist Die Legende von der unsichtbaren Stadt Kitesch und von der Jungfrau Fewronia ab dem 15. Mai in der Produktion der Dutch National Opera Amsterdam über den Video on Demand-Anbieter OperaVision. Regisseur Dmitri Tcherniakov, auch für das Bühnenbild verantwortlich, fand eine realistische und doch magische Bildsprache. Die musikalische Leitung der in der Presse hervorragend aufgenommenen Produktion hat Marc Albrecht. 

Die vieraktige Oper spielt in der sagenumwobenen Stadt Kitesch, die vermutlich auf eine Fürstenresidenz an der Wolga im 13. Jahrhundert zurückgeht. Der Legende nach verschwand Kitesch einst bei einem Angriff feindlicher Truppen. Rimski-Korsakow verknüpfte diese russische Version des Atlantis-Mythos nun mit einem blutrünstigen historischen Ereignis: dem Einfall mongolischer Truppen im 13. Jahrhundert in weiten Teilen Nord- und Mittelasiens.

Nikolaj Rimskij-Korsakow: Die Legende von der unsichtbaren Stadt Kitesch – “Das russische Atlantis”


Vor diesem Hintergrund entfaltet sich die Liebesgeschichte zwischen der tugendhaften Bauerntochter Fewronija und dem Fürsten Wsewolod. Die Hochzeit der beiden wird durch den Angriff der feindlichen Truppen verhindert, bei dem Wsewolod stirbt. Auf Fewronijas Gebet hin umhüllt goldener Nebel die Stadt Kitesch, die daraufhin für das feindliche Heer unsichtbar wird und verschont bleibt. Am Ende stirbt auch Fewronija, doch ihr verstorbener Geliebter holt sie zurück in die unsichtbare Stadt, und die Oper endet mit einer verklärten Himmelfahrt. 

Noch vor der Uraufführung erlebte Rimski-Korsakow sein persönliches Kitesch: Als es 1905 landesweit zu Protesten gegen den Zaren kam, unterstützte er demonstrierende Studenten und wurde prompt seines Amtes enthoben. Glücklicherweise setzte man ihn unter dem Druck öffentlicher Solidaritätsbekundungen bald wieder in sein Amt ein und die Oper konnte endlich über die Bühne gehen.
Marc Albrecht am Pult des engagiert und klangschön aufspielenden Nederlands Philharmonisch Orkest hielt nicht nur über drei lange, ungekürzt erklingende Akte die musikalische Spannung der durchkomponierten, meisterhaft instrumentierten Partitur aufrecht. Ihm gelang auch das Kunststück, die epische Theatralik der beiden Binnenakte und die lyrische Epiphanie der Außenakte miteinander auszugleichen, sodass - selten genug - zwischen dem Geschehen auf der Bühne und im Graben volle Übereinstimmung herrschte. Die Inszenierung, die von der Pariser Opéra Bastille, von Barcelona und der Mailänder Scala übernommen wird, hat eine Lanze für das sperrige Meisterwerk Rimskij-Korsakows gebrochen, die hoffentlich zu einer neuen Einschätzung aus seiner übrigen musiktheatralischen Werke führen wird. - Uwe Schweikert (Rezension in “Opernwelt”)

Die Produktion ist noch bis August im Streaming-Angebot von Opera Vision zu sehen. Außerdem ist sie weiterhin auf DVD und Blu-ray erhältlich. Das Aufführungsmaterial ist Teil des Verlagskatalogs von M.P. Belaieff und wird von Schott weltweit exklusiv vertrieben.

Werk der Woche - Peter Eötvös: Senza sangue

In seiner Oper Senza sangue behandelt Peter Eötvös die Themen Mord, Rache, Vergebung und Sehnsucht. Eine Mischung, die viele psychologische Fragen aufwirft. Wie diese Elemente in der Oper verknüpft werden und ob Antworten gegeben werden, können die Zuschauer am 15. Mai 2016 bei der szenischen Uraufführung selbst erleben. Das Werk wird an der Opéra Grand Avignon aufgeführt und Eötvös wird bei der Inszenierung von Róbert Alföldi die musikalische Leitung übernehmen. Im vergangenen Jahr wurde Senza sangue konzertant uraufgeführt und war bereits in Köln, New York, Göteborg und Bergen zu hören.

Die Oper basiert auf der gleichnamigen Novelle des italienischen Autors Alessandro Baricco, die 2002 veröffentlicht wurde. Zur Handlung gibt es eine Vorgeschichte: Während des Spanischen Bürgerkriegs tötet ein junger Mann mit seinen Kameraden die Familie eines kleinen Mädchens. Die Blicke des Mannes und des Mädchens treffen sich und er entschließt sich, sie zu verschonen. Der Zuschauer erlebt nun, wie sich die inzwischen erwachsene Frau und der Mann erneut begegnen. Anders als erwartet ist die Frau nicht gekommen, um Rache zu nehmen, wie sie es bei seinen Kameraden getan hatte, sondern in der Hoffnung auf seelische Erlösung. Der Blick, der vor langer Zeit ihr Leben verändert hatte, solle sie nun retten.

Peter Eötvös' Weg zu seiner Oper Senza sangue


Eötvös ließ sich bei seiner Oper nicht nur von Bariccos Novelle inspirieren, sondern auch durch Béla Bartóks Herzog Blaubarts Burg. Mit der Absicht, ein Kopplungswerk für einen Doppelabend mit Bartóks Einakter zu schaffen, übernahm Eötvös dessen Instrumentierung mit Ausnahme der Orgel. Es bleibt aber nicht bei dieser Gemeinsamkeit: Auch die Personenkonstellation und die Dramaturgie in Form der allmählichen Enthüllung seelischer Abgründe orientiert sich an Herzog Blaubarts Burg.

Eötvös beschreibt seinen Kompositionsprozess so:
Senza Sangue ist meine zehnte Oper. Ich habe mich auf sie vorbereitet wie ein Filmregisseur, der seinen nächsten Film in Schwarzweiß drehen will. In meinen früheren Opern habe ich mich um farbige Klangpaletten bemüht; hier suche ich dagegen scharfe Kontraste und Schattierungen in Schwarz, Grau und Weiß. In der Orchesterpartitur habe ich den Akzent auf Klangballung statt auf Eigenständigkeit der Stimmen gelegt: Viele Instrumente spielen gleiche Melodieverläufe und erzeugen so einen kräftigen Klang, ähnlich wie in der japanischen Kalligrafie mit einem Strich eines dicken Pinsels eine einzige schwarze Linie gezogen wird. – Peter Eötvös

Die Oper Senza sangue wird in diesem Jahr szenisch noch beim Armel Opera Festival in Budapest (Regie: Robert Alföldi) und an der Hamburgischen Staatsoper (Regie: Dmitri Tcherniakov) zu sehen sein. 2017 folgt konzertant die britische Erstaufführung mit Simone Young und dem BBC Symphony Orchestra in der Londoner Barbican Hall.

Foto: Klaus Rudolph