• Qualität seit über 250 Jahren
  • Über 350 Partnerhändler weltweit
  • Sicher einkaufen mit Trusted Shop

Tagged with 'Basel'

Werk der Woche – Toru Takemitsu: Nostalghia

Im Konzert „Auf Dunkelheit folgt Licht“ mit dem Geiger Ilya Gringolts wird am 13. und 14. September Toru Takemitsus Nostalghia zu hören sein: Unter der Leitung von Gevorg Gharabekyan spielt das Kammerorchester I Tempi gemeinsam mit Gringolts das Stück für Violine und Streichorchester in der Martinskirche in Basel und in der Kirche St. Peter in Zürich.



In Nostalghia, das 1987 als Auftragswerk für Yehudi Menuhin entstand, bezieht sich Takemitsu auf den gleichnamigen, vier Jahre zuvor gedrehten Film von Andrei Tarkowskij. Der Titel greift vor allem das Heimweh-Gefühl, das in der Handlung des sowjetisch-italienischen Films eine zentrale Rolle spielt, auf. Im Gegensatz zu der Bedeutung des deutschen Worts „Nostalgie“ lehnen das russische und auch das italienische Wort nicht an das Verlangen nach einer vergangenen Zeit sondern nach einem Ort oder einer Person an.

Toru Takemitsus Nostalghia – „In Memory of Andrei Tarkowskij”


Tarkowskijs autobiographischer Film zog Takemitsu wegen seiner ruhigen Kameraführung, den langen ungeschnittenen Szenen und dem sehr sparsamen Gebrauch von Musik an. 1987 schrieb er dem sowjetischen Filmemacher, der ein Jahr zuvor in Paris verstarb, eine posthume Filmmusik. Nach einer kurzen Einleitung beherrscht eine einfache, pathetische Melodie der Solovioline die ganze Komposition. Ein unterteiltes Streichorchester lässt stellenweise ein Gefühl von Wasser und Nebel aufkommen – beständige Merkmale sowohl im Werk Takemitsus als auch in Tarkowskijs Filmen. Gefühle von Todessehnsucht und Heimweh transportiert Tarkowskij mit seinem Film „Nostalghia“ und auch das Hauptmotiv in Takemitsus Komposition kreist um das Verlorene und die Erinnerung. Am Ende kehrt das Stück zurück zu seinem Anfang, während sich die Orchestergruppen nochmals zur Vielstimmigkeit aufteilen und die Solo-Violine in höchsten Höhen verharrt.
Ich würde mich am liebsten gleichzeitig zu zwei Richtungen hin entwickeln: zur japanischen Tradition und zu westlicher Erneuerung. Tief im Innern wünschte ich, zwei musikalische Stile aufrechterhalten zu können, da beide das Recht auf eine eigene Form besitzen. Sich dieser beiden, im Grunde unvereinbaren Elemente als Kern vieler kompositorischer Arbeitsvorgänge zu bedienen, ist meiner Meinung nach nur der erste Schritt. Ich will den fruchtbaren Widerspruch nicht lösen - im Gegenteil: Ich will, dass die beiden Blöcke sich bekämpfen. So vermeide ich es, mich von der Tradition zu entfernen, während ich mit jedem neuen Werk auf die Zukunft zugehe. Ich möchte einen Klang erreichen, der so intensiv ist wie die Stille. – Toru Takemitsu

Im gleichen Konzert wird auch Karl Amadeus Hartmanns Concerto funebre für Solo-Violine und Streichorchester zu hören sein. Am 14. und 15. September geht es in der Suntory Hall in Tokyo mit Takemitsus A Way Lone II in einer Fassung für Streichquartett und How Slow the Wind für Orchester  weiter. Es spielt das NHK Symphony Orchestra, dirigiert von Paavo Järvi. In der Supporo Concert Hall Kitara in Hokkaido wird am 15. September Rain Coming für Kammerorchester von der Tokyo Sinfonietta unter der Leitung von Yasuaki Itakura aufgeführt. Auch in Deutschland darf man sich diese Woche auf Musik von Takemitsu freuen: Am 16. September spielt Pirmin Grehl Itinerant für Flöte bei der Schumann Festwoche in Leipzig. Einen Tag später führt das Philharmonische Staatsorchester Mainz im Rahmen des Theaterfests Mainz Night Signal unter der Leitung von Hermann Bäumer auf.

Werk der Woche - Hans Werner Henze: Suite "Die Zikaden"

Am 1. Juni 2016 wäre Hans Werner Henze 90 Jahre alt geworden. Zu diesem Anlass wird nun die Suite „Die Zikaden“ aus Orchesterstücken zu einem Hörspiel von Ingeborg Bachmann posthum uraufgeführt. Das Stück wird am 1. Juni im Stadtcasino Basel unter der musikalischen Leitung von Dennis Russel Davies mit dem Symphonieorchester Basel zu hören sein. Eine Wiederholung des Konzerts findet am 2. Juni, ebenfalls im Stadtcasino, und am 3. Juni mit derselben Besetzung im Temple du Bas in Neuchâtel statt.

Dass diese Suite 2014 in Henzes Nachlass gefunden wurde, ist eine kleine Sensation: Denn es hatte kaum Gelegenheiten gegeben, die Musik aufzuführen, da die Partitur nie veröffentlicht wurde. Sie wurde nur ein einziges Mal für die Produktion der Ursendung gespielt und so waren die einzigen Gelegenheiten sie zu hören, wenn Rundfunkanstalten die Aufzeichnung sendeten. Wenige Jahre vor seinem Tod beschäftigte sich Henze jedoch noch einmal mit der Komposition zum Hörspiel und stellte aus dem Material eine Konzertsuite zusammen.

Realitätsflucht und Utopie: Die Zikaden als Suite


Die Künstlerfreundschaft zwischen Henze und Bachmann kann zu den wichtigsten des 20. Jahrhunderts gezählt werden. Beide hatten sich im Herbst 1952 bei einer Tagung der Gruppe 47 kennengelernt. Durch ihre fruchtbare und innige Beziehung entstanden inden folgenden Jahren mehrere gemeinsame Werke. Das zentrale Thema des Hörspiels „Die Zikaden“ ist die Realitätsflucht. Auf einer nicht genauer benannten Insel im Süden versuchen die Figuren, ihr altes Leben mit all seinen Mühen, Ängsten, Entbehrungen und Schmerzen hinter sich zu lassen. Jedoch müssen sie schnell erkennen, dass diese Utopie trügt und das Leben auf der Insel dasselbe ist, wie überall. Der Gesang der Zikaden steht emblematisch für diese Illusion. Als menschliche Wesen nutzten diese ihren Gesang zur Weltflucht, jedoch um den Preis ihres Menschseins.

In einem Brief an Bachmann aus der Zeit der Entstehung beschreibt Henze seine Musik sowie den Umgang mit dem Hörspiel so:
Das Manuskript von "Die Zikaden" enthält einige Seiten schmerzlichen Wohllauts und zarter Klage, zitternder Ironie unter halbgeschlossenem Augenlid, ungezügelter Ausbruch und nur halb gelungene, wie unter Zwang herbeigeführte, wider Willen bejahte – und doch nicht bejahte – Mäßigung. Kurz: es ist getan, mein devoter Versuch, einen Klang dem Klang beizugeben, mich in die Welt deines Worts einzuleben und einen Widerhall dieser Welt zu tönenden Akten zu binden. – Henze an Ingeborg Bachmann, Brief vom 13.1.1955

In den Wochen um den 90. Geburtstag finden zahlreiche weitere Aufführungen von Henzes Kompositionen statt: So inszeniert inszeniert Dieter Kaegi am 31. Mai die Kinderoper Pollicino im Teatro Regio in Turin und vom 3. bis 5. Juni werden im Rahmen der Tage für neue Gitarrenmusik 2016 verschiedene Stücke des Komponisten an der Staatlichen Hochschule für Musik in Trossingen zu hören sein. Das große Ballett Undine feiert am 24. Juni im Bolshoi Theater in Moskau Premiere und vom 29. Juni bis zum 1. Juli stehen in den Konzerten der Münchner Philharmoniker die Nachtstücke und Arien nach Gedichten von Ingeborg Bachmann mit der Sopranistin Claudia Barainsky auf dem Programm.