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70 Jahre das Orchester

70 Jahre das Orchester - Cover der ersten Ausgabe

Vor 70 Jahren, im Mai 1953, erschien die erste Ausgabe von das Orchester. Entstanden in Kooperation zwischen dem Schott-Verlag Mainz und der Deutschen Orchestervereinigung, die sich im Herbst 1952 gegründet hatte. Eine „Verbandszeitung“, ein „Organ“ wurde geschaffen, „das dem lang gehegten Bedürfnis des Orchester-Musikers entspricht“, wie die Herausgeber im Geleitwort der ersten Ausgabe schrieben. Es ging ihnen um die Unterrichtung „über alle musikalischen und musikpolitischen Probleme“, die Aufrechterhaltung der „Verbindungen unter den einzelnen Orchestern und den Berufschören“. Damit sollte die Basis geschaffen werden, „auf der die künstlerische und wirtschaftliche Stellung der Klangkörper ausgebaut und weiterentwickelt werden kann“.

 

Am Anfang war viel Text

Der Blick in die ersten Hefte – im Archiv inzwischen leicht vergilbt – zeigt sehr viel Text („Bleiwüste“), kaum Fotos und im hinteren Teil klein gehaltene Stellenanzeigen von Orchestern. Die frühen Cover waren bildlos und hatten eher die Anmutung gedruckter Klavierausgaben, mit dem Unterschied, dass eben nicht „Beethoven“, sondern „Das Orchester“ darauf stand. Denn auch Schott betrat als altehrwürdiger Musikverlag mit der Herausgabe dieser Zeitschrift Neuland.

In den folgenden Jahrzehnten wurden jene Themen, die den Herausgebern im Sinne des ersten Geleitwortes wichtig erschienen, ins Heft gebracht. Als besonders gravierend wurde der Mangel an qualifizierten Nachwuchsmusikern (es ging in den 1950er und 1960er Jahren wirklich nur um Männer) angesehen. Skepsis schien angebracht über die Aufnahme ausländischer Musiker, die dann zunächst mehr oder weniger notgedrungen geduldet wurde. Weitere wichtige Themen waren der Anschluss der Orchester und ihrer Musiker an den wirtschaftlichen Aufschwung der noch jungen Bundesrepublik oder die Abbildung knallharter tarifpolitischer Themen vor allem in den Auseinandersetzungen mit dem Deutschen Bühnenverein als Arbeitgeberverband.

Die wachsende Verbreitung von Stereo-Schallplatten, die zunehmende Verwendung von Tonbändern, der Ausbau des Sendebetriebs der nach dem Zweiten Weltkrieg neu gegründeten Länder­anstalten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks weckten Ängste. Man war unsicher, inwieweit „Ton-Konserven“, die bildlich auch so dargestellt wurden, das Live-Erlebnis verdrängen könnten. Auch die Diskussionen zur Entwicklung und Geltendmachung von Urheber- und Leistungsschutzrechten bei Mitwirkungen an Rundfunk- und Schallplattenaufnahmen bekamen in der Zeitschrift ihr Forum. Musikwissenschaftliche und musikhistorische Abhandlungen, Komponisten- und Dirigentenporträts, Überlegungen zu Spiel- und Interpretationstechniken sowie Gedanken zum Erhalt und zur Weiterentwicklung der „Orchesterkultur und des Rundfunk-Chorwesens“ fanden ebenso Eingang in das Heft. Der Griff in das Archiv von das Orchester der ersten Jahrzehnte gleicht einer musik- und kulturpolitischen Zeitreise.

 


Das Orchester - Ausgabe 1 (1953)
Das Orchester - Ausgabe 1 aus dem Jahr 1953

 

 

Das 50. Jubiläum im Jahr 2003

Der 50. Geburtstag der Zeitschrift im Mai 2003 wurde mit einer 176 Seiten (!) starken Jubiläumsausgabe gefeiert (mit einem Anzeigenteil von über 50 Seiten). Es gab außerdem einen Festakt im Konzerthaus Berlin in Anwesenheit des Bundespräsidenten Johannes Rau. Es erklang die Uraufführung einer Auftragskomposition von Frederik Zeller (Eröffnung) mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter Marek Janowski. Das Jubiläum der Zeitschrift war verknüpft mit dem 50. Geburtstag der Deutschen Orchestervereinigung (DOV) und der Feier von „500 Jahren Orchesterkultur in Deutschland“. Letztere leiten sich aus der Gründung der Kasseler Hofkapelle im Jahr 1502 ab.

Das Jubiläumsheft von 2003 war noch durchgängig in Schwarz-weiß gehalten, immerhin erschien der Einband mit Cover und Anzeigen bereits im Farbdruck. Einem einleitenden „Magazin“ mit aktuellen Meldungen, Personalia, Auszeichnungen, Festspielen, Tagungen und Kursangeboten folgten die „Themen“ auf fast 40 Druckseiten. Einzelne Hauptbeiträge hatten einen Umfang von bis zu zwölf Seiten. Es schloss sich der „Spiegel des Musiklebens“ an mit eigens beauftragten Reportagen und Musiktheater-Rezensionen. Rund 25 Seiten nahmen die „Pressestimmen“ ein, der Nachdruck von Kritiken und Reportagen aus der regionalen und überregionalen Presse.

20 Jahre später sehen wir im Rückblick erneut viele Veränderungen. Der simple Nachdruck von (naturgemäß ausschließlich positiven) Rezensionen in den Pressestimmen wurde von Verlagsredak­tion und Chefredaktion im Jahr 2007 im Zuge eines turnusmäßigen Relaunches aufgegeben. Mochte dieses Verfahren in früheren Jahrzehnten eine gute und preiswerte Möglichkeit gewesen sein, Vielfalt und Breite des Musiklebens bis in die Provinz abzubilden (oder auch nur das Heft „zu füllen“), erschien es nun nicht mehr zeit­gemäß. Weit nach Ostern noch den Abdruck der Rezension einer Weihnachtsvorstellung lesen? Außerdem waren die Nachdruckhonorare einzelner Zeitungsverlage so weit gestiegen, dass die gezielte Beauftragung eigener Autorinnen und Autoren die günstigere ­Option war.

Die über 50 Jahre gelebte enge Bindung als „Organ der Deutschen Orchestervereinigung“ wurde bei der Wahl der Themen und Setzung der Schwerpunkte inhaltlich faktisch aufgelöst. Bewusst wurde der Weg von einer reinen Verbandszeitung zu einer journalistisch versierten Fachzeitschrift fortgesetzt. Inzwischen sind Musikvermittlung und Education, Kommunikation und Führung im Orchester, Personalentwicklung und Organisation, Entwicklungen von Publikum und Musikernachwuchs prägende Themen. Denn würde eine reine Verbandszeitschrift außerhalb des Verbandes sonst interessieren? Wen würde man darüber hinaus erreichen können? Nur so ist es zu erklären, dass die Vertriebsliste von Schott über 40 Länder aufweist, in denen die Zeitschrift (auch online und über die App) bezogen wird.

Im Jahr 2003 eingeführte englische Abstracts der Hauptbeiträge wurden nach rund zehn Jahren wieder aufgegeben. Einerseits verstehen in der Musikwelt erstaunlich viele Menschen die deutsche Sprache – offenbar, weil sie hier zeitweise studiert, gearbeitet oder häufiger im deutschen Sprachraum gastiert haben. Andererseits ist es mit modernen Übersetzungsprogrammen inzwischen gut möglich, den Inhalt von Fachartikeln unserer Zeitschrift nachvollziehen zu können.

Mit elf Ausgaben im Jahr hat das Orchester eine höhere Frequenz, Aktualität und Umfang als das nordamerikanische Pendant SYMPHONY, das als Quartalszeitschrift von der League of Amercian Orchestras herausgegeben wird. Weitere international verbreitete Fachzeitschriften mit einem speziellen Fokus auf Orchester sind nicht existent.

 

 

Das Orchester im Wandel der Zeit

Man muss konzedieren, dass der Stellenmarkt, der über Jahrzehnte den Anzeigenteil der Zeitschrift prägte, zu einem großen Teil ins Internet verlagert wurde. Allerdings führte diese Entwicklung auch zu einer gewissen Beliebigkeit von Ausschreibungen und Bewerbungen, die mit wenigen Klicks und zeitgleich bei einer Vielzahl von Orchestern hochgeladen werden können. Manche Bewerber:innen wissen nicht, wo sie sich eigentlich genau bewerben. Und Orches­terbüros haben eine wachsende Flut identisch aussehender Bewerbungen zu bewältigen. Die gedruckte Zeitschrift das Orchester steht unverändert für die Sichtbarkeit und das Employer Branding von Orchestern, welches sich auf den Online-Foren zunehmend verliert. Es gibt daher auch Orchester, die wieder auf Direktbewerbungen setzen.

Das aktuelle Jubiläum war Anlass für einen erneuten Relaunch ab der Januar-Ausgabe 2023 mit einem leichten und luftigen Layout, größeren Fotos und gekürzten Textlängen. Neu ist auch der Podcast Klangvoll, der „aus dem Maschinenraum des Musikbetriebes“ berichtet und so tiefe Einblicke in die Welt der Orchester und ihrer Protagonist:innen liefert. Welche Bedeutung eine Fachzeitschrift in der heutigen Zeit noch hat, beleuchten wir beim diesjährigen Deutschen Orchestertag in Berlin. Am 15. Mai diskutieren wir mit Autoren unserer Zeitschrift und Journalisten des Feuilletons über die Zukunft des Kulturjournalismus und peilen ganz bescheiden unseren 75. Geburtstag an.

 

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