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Jonathan Harvey

Herkunftsland: Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland
Geburtstag: 3. Mai 1939
Todestag: 4. Dezember 2012

Über Jonathan Harvey

Geboren 1939 in Sutton Coldfield, Großbritannien. Privatstudien bei Erwin Stein und Hans Keller, später in Princeton bei Milton Babbitt. Von 1980–1993 Professor an der University of Sussex. 1995–2000 Professor in Stanford (USA). Autor der Bücher The Music of Stockhausen (1975), Music and Inspiration und In Quest of Spirit (beide 1999). Ehrendoktortitel der Universitäten von Southampton und Bristol.
„Ich bin seit vielen Jahren davon überzeugt, dass der europäische Geist im Niedergang steht und der Heimkehr zu seinen asiatischen Quellen bedarf.“ In einem Brief aus dem Jahr 1919 drückte Hermann Hesse aus, was nach ihm die Hippie-Generation in die Tat umsetzte, indem sie aus ihren Asien-Reisen eine neue Lebenseinstellung in ihre westliche Heimat zurück trug. Ein Hauch von Flower Power scheint auch noch über der Hinwendung zum Hinduismus zu schweben, die der junge britische Komponist Jonathan Harvey in den 1970er Jahren vollzieht.
Als anglikanischer Chorknabe zur Musik erzogen, durch seine Lehrer Erwin Stein und Hans Keller mit der Schönberg’schen Methode vertraut, eröffnet ihm die Musik Karlheinz Stockhausens neue Horizonte. Dessen These, dass in der Musik alles mit allem zusammenhängt – Tonhöhe, Metrum, Klangfarbe, Lautstärke und Rhythmus – lässt ihn eine innere Einheit erahnen, die er in religiösen Erfahrungen auf andere Weise gespiegelt sieht. In Harveys Werken spiegelt sich seine geistige Auseinandersetzung mit buddhistischem und hinduistischem Gedankengut und verbindet sich mit seinem wegweisenden Umgang mit dem Computer als Musikinstrument, als Umschlagpunkt für reale und virtuelle Klangwelten.
Harveys Ensemblestück Sringāra Chaconne ist hierfür ein wunderbares Beispiel. „Sringāra“ ist eine der neun Rasas oder „Essenzen“, die, nach der um 500 vor Christus entwickelten, klassischen indischen Kunsttheorie, einem Theaterstück, einem Tanz, einem Gedicht, einer Skulptur oder der Musik zugrunde liegen. Unter diesen Rasas ist „Sringāra“ gewissermaßen die vornehmste: Es ist der „Geschmack“ der erotischen Liebe. Die Anziehungskraft zwischen Liebendem und Geliebter ist wiederum ein Symbol für die Beziehung zwischen dem Einzelnen und dem Göttlichen – und somit „die Mutter aller Musen“.
Harvey bedient sich einer recht strengen, europäisch-barocken Form, um diesen „Affekt“ darzustellen: der Chaconne. Sie beruht auf einem wiederkehrenden Harmonieschema, in dem das über- strömende Gefühl durch stete, variierte Wiederkehr gebunden ist. Geradezu impressionistisch muten die Klangwolken an, in denen zu Beginn vier Akkorde exponiert werden, auf denen das weitere Stück beruht. Doch in dieser duftigen Süße verharrt die Chaconne nicht: General- pausen teilen das dichte Gefüge, Fremdkörper dringen ein – auch durch in die Instrumente geflüsterte Konsonanten –, die Chaconne verschweigt schließlich auch die Raserei der Liebe nicht. Ein Unisono-Part von Flöte, Oboe und Klarinette über einer stillstehenden Streicherfläche markiert einen Wendepunkt. Die „Schleier der Maya“ sind, mit Schopenhauer gesprochen, zerrissen, ein Durchbruch ist da, zu einer anderen Zeitlichkeit, zu einer anderen Zärtlichkeit. www.vivosvoco.com

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