Übungen im Verwandeln / Diptychon / Prophezeiungen / Jeux

Das Werk des Leipziger Komponisten Siegfried Thiele ist geprägt von Bekenntnishaftigkeit.
Durch Erkennen verändern und durch Verändern erkennen, darauf spielt Thiele mit seinem Stück "Übungen im Verwandeln" an. Das viersätzige Werk entwickelt konfliktreiche Verhältnisse, jedoch verschweigt die Musik nicht das Harmoniebedürfnis ihres Autors und den auch heute noch gültigen Zusammenhang von Wahrheit und Schönheit.
Im Spannungsfeld zwischen Leben und Tod stehen die beiden 1987 entstandenen Kompositionen "Diptychon" und "Prophezeiungen". In dieser Zeit wurde Siegfried Thiele ganz unmittelbar von existenziellen Fragen betroffen, die auch in seine Musik eingingen. Beim "Diptychon" greift er auf die dissonante Klangstruktur der "Übungen im Verwandeln" zurück, verarbeitet das Material jedoch eigenständig. Das Klavier strebt einer Harmonisierung entgegen, kann sich aber nicht durchsetzen, alles reißt ab - am Schluss verbleibt ein Schimmer der Hoffnung.
"Unzählige Leben werden ausgelöscht und unzählige Lücken auf Erden gerissen werden" heißt es im Chorzyklus "Prophezeiungen". Auch hier setzt sich der Leipziger Komponist mit Fragen vom Werden und Vergehen auseinander, die jedoch anhand der aphoristischen Aussagen von Leonardo da Vinci als Klage und Mahnung in einen zeitkritischen Kontext gestellt werden.
Das Schluss-Stück "Jeux" zeigt Thieles Freude am Konzertieren und wurde von seinem Umgang mit der Leier angeregt. Im Vordergrund stehen die zarten, zum Meditativen gerichteten Flageolettöne. Dadurch verstärkt sich die Distanz zwischen innerer Kraft des Solisten und der Klanggewalt des Orchesters.