Musik und Dichtung

Lyrik ist die Sprachwelt der Dichter, die uns Bilder, Stimmungen, Archetypen und Ursituationen des Seins in konzentrierter Form vermittelt. Die lyrische Metapher inspiriert den Musiker, gibt ihm einen kreativen Schub, verleiht ihm klangliche Visionen. Umgekehrt wird die Konkretheit der Wörter durch die Immaterialität der Musik in eine geistige und emotionale Welt transzendiert.
Aus solchem reziproken Wechselspiel von Musik und Dichtung leben die fünf Werke dieser CD: Die Dichter haben entscheidend inspiriert und zur neuartigen Klang- wie Formfindung angeregt. Umgekehrt vermochte die Musik den schnell vorbeihuschenden Wortbildungen Hintergründigkeit und Deutungsmöglichkeiten zu geben, die zum Innehalten und imaginativen Nachsinnen verleiten.
Obwohl die Kompositionen Norbert J. Schneiders aus einem Zeitraum von nur sieben Jahren stammen, sind sie überraschend unterschiedlich. Waren die Hesse-Lieder von 1983 noch in einem Webern und Messiaen verpflichteten Stil gehalten, so findet man in den "Trakl-Träumen" von 1987 polyperiodische Abläufe, Additions- und Subtraktionsprozesse, während "Gemeinsam einsam" von 1990 ganz ungeniert von postmodernen Brüchen durchsetzt ist.
Die beiden Zyklen "Gemeinsam einsam" (Fünf Liebeslieder nach Texten von Wolfgang Ramadan für sechs Männerstimmen a cappella) und "Morgenstern-Liederbuch" (Sieben Gedichte für Chor und Klavier nach Texten von Christian Morgenstern) wurden speziell für das Vokalensemble Singphoniker (sechs Männerstimmen mit optionalem Pianisten) geschrieben.