Leap In The Dark

Es gibt nicht viele europäische Jazzmusiker, die die amerikanisch geprägte Jazztradition respektvoll zu behandeln und sie gleichzeitig im eigenen Stil zu interpretieren wissen. Einer, der sich mit Leib und Seele darauf eingelassen hat, ist Jürgen Hagenlocher. Und aus gutem Grund nennt er seine neue CD "Leap In The Dark". Dieser Sprung ins Ungewisse (so die Übersetzung ins Deutsche) hat sich gelohnt. Sich auf Unbekanntes einzulassen, die Musik zusammen aus verschiedenen Standpunkten und Hintergründen heraus zu entwickeln, birgt ein gewisses Risiko - kann aber auch so wie hier ein überaus inspirierendes und spannendes Ergebnis bieten. Jedes Stück erzählt eine eigene Geschichte und fasziniert durch den authentischen New Yorker Sound - Modern Jazz zum Genießen mit allen Sinnen. „Leap in the Dark“ ist ein klingender Beweis für die Tatsache, dass unverändert gilt: Jazz entsteht, wenn auf der Basis ausgereifter Kompositionskunst eine Gruppe von Könnern mit viel gemeinsamer Erfahrung den gebotenen Raum kongenial nutzt, um ihn zu gestalten und auszuschmücken. Wenn dann noch der Leader eine ganz besondere Gabe hat, seine Mitmusiker so auszusuchen, dass sie sich wie selbstverständlich in seine Klangvorstellung einfügen – dann wird Musik zum Ereignis. Jürgen Hagenlocher, Jahrgang 1967, studierte an der Swiss Jazz School in Bern und gewann früh diverse Preise. Seither konnte man ihn nicht nur auf zahlreichen Festivals und in zahlreichen Clubs hören, sondern auch auf fast einem Dutzend Aufnahmen. Seine dritte CD (nach „Episodes“, 2007 und „Confusion“, 2009) festigt seinen Ruf, den schon die ersten beiden begründet hatten – und die schon viele seiner Kollegen aufhorchen ließen (Ack van Rooyen: „a superbly arranged, soulfully executed venture“ – Randy Brecker: „a first rate CD, great playing and compositions“). Regelmäßig spielt er in New York, und eben dort ist auch die neue CD eingespielt. Mit Kollegen, mit denen er zum Teil schon seit Jahren unterwegs ist, und das 2012 auch zu einer Europatournee kommen wird. Alex Sipiagin ist bereits im vierten Jahr immer wieder mit Hagenlocher unterwegs, auch auf Tourneen in Europa. Er wurde 1967 in der Nähe Moskaus geboren, kam aber bereits 1991 nach New York und hatte schon bald bemerkenswerte Engagements (Gil Evans Band, George Gruntz Concert Jazz Band, Gil Goldstein, Bob Moses Band…). Seit 10 Jahren spielt er in diversen Formationen Dave Hollands, seit langem aber auch in der Mingus Big Band und der Mingus Dynasty. Dort trifft er auch regelmäßig auf Boris Kozlov, der nicht nur den Original-Bass von Mingus als Dauerleihgabe spielen darf, sondern als musikalischer Leiter der Mingus Big Band bereits zwei Grammies holte. Mit Sipiagin verbindet ihn außerdem das gleiche Geburtsjahr, den Geburtsort (Moskau) und der Zeitpunkt der Übersiedlung in die Vereinigten Staaten. Und der Umstand, dass auch er eine beeindruckende Liste an Kollegen vorlegen kann, die ihn immer wieder als Mitmusiker anfordern: von McCoy Tyner bis Maceo Parker – auf 160 CDs ist er mittlerweile zu hören! David Kikoski wiederum, 1961 in New Jersey geboren, ist schon früher nach New York gekommen, nach dem Studium in Berklee (an der Seite von u.a. Pat Metheny, mit dem er später auf einer CD zu hören ist). Schon seit Mitte der 80er Jahre ist er eine feste Größe an den Tasten, wovon Auftritte und (über 100) CD-Produktionen mit u.a. John Scofield, Joe Henderson, Dave Holland, Marcus Miller Zeugnis ablegen. Der jüngste der Sidemen Hagenlochers, Nate Smith (Jahrgang 1974), hat früh aufgeholt: schon während des Studiums spielte er in der Band Betty Carters, später in diversen Formationen Dave Hollands – wie Alex Sipiagin – und Chris Potters. Und ist auf CD´s von Jason Moran, Craig Taborn und Joshua Redman zu hören. Alles in allem ein amerikanisches „All-Star-Ensemble“, das seinen großen Respekt vor der Leistung eines jungen deutschen Tenorsaxophonisten ausdrückt. Mit einer Aufnahme, die zu Recht an die ganz großen Platten der letzten Jahrzehnte erinnert.