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Werk der Woche – Kurt Weill: Die sieben Todsünden

Faulheit, Stolz, Zorn, Völlerei, Unzucht, Habsucht, Neid  - in seinem Ballet Chanté Die sieben Todsünden gibt Kurt Weill mit der Figur der Anna den Sünden eine neue Lesart. Das Werk feiert am 20. Mai in einer Inszenierung von David Pountney an der Opéra national du Rhin in Strasbourg Premiere. Es spielt das Orchestre symphonique de Mulhouse unter der Leitung von Roland Kluttig. Beate Vollack übernimmt die Choreographie, Marie-Jeanne Lecca das Bühnenbild.

Weill komponierte sein Ballett mit Gesang in sieben Bildern im Pariser Exil 1933. Dort hatte sich die Pariser Truppe „Les Ballets 1933“ unter dem Choreografen Georges Balanchine neu gegründet und suchte nach Werken für einen mehrteiligen Ballettabend. Auch einen Finanzier gab es bereits: den reichen Engländer Edward James, Mäzen der Truppe und Ehemann der Solotänzerin Tilly Losch. Dieser beauftragte Weill, ein Tanzstück für den Abend zu komponieren. Weill willigte ein, stellte aber eine Bedingung: Er wolle kein „gewöhnliches“ Ballett schreiben, sondern eines mit Gesang.

Als Texter hatte Weill ursprünglich den Schriftsteller Jean Cocteau vorgesehen. Dieser sagte jedoch aus Zeitgründen ab, sodass Weill sich an seinen alten Partner Bertolt Brecht wandte. Brecht und Weill waren ein erfahrenes Künstlergespann und hatten mit der Dreigroschenoper und dem Mahagonny Songspiel bereits bahnbrechende Theaterleistungen erbracht. In Paris kamen sie erstmalig nach ihrer Emigration wieder zusammen und arbeiteten zum letzten Mal gemeinsam an einem Werk. Innerhalb von zwei Wochen war das Ballett Die sieben Todsünden geschrieben. Am 7. Juni 1933 wurde es in der Choreographie von Georges Balanchine am Théâtre des Champs-Élysées uraufgeführt. Obwohl von den Kritikern in der Premiere gespalten aufgenommen, wurde es zu einem der bekanntesten Werke von Weill.

Kurt Weill – Die sieben Todsünden: zwei Seelen in einem Wesen


Anna wird von ihrer Familie auf eine siebenjährige Reise durch Nordamerika geschickt, um Geld für „ein kleines Haus am Mississippi“ zu verdienen. Die Figur der Anna ist zweigeteilt: Die Persönlichkeit spaltet sich in eine meist pragmatisch handelnde Anna I und eine emotionale Anna II. Auf ihrer Reise durch sieben amerikanische Städte begegnen den Annas die Versuchungen der sieben biblischen Todsünden und werden zu ihren Leidensstationen. Nach und nach geben sie ihre Träume und Ideale auf und kehren zuletzt desillusioniert zu ihrer Familie nach Louisiana zurück – die sitzt schon im neu erworbenen Eigenheim.

Musikalisch kommentiert Weill die Handlung in populären amerikanischen Musikstilen der 1920er Jahre wie Tango, Foxtrott, Polka oder Barbershop-Anklängen und bringt die Komik des Textes zum Vorschein. Besonders humoristisch wirkt ein Männerquartett, das als spießbürgerlich-kommentierendes Sprachrohr von Annas Familie fungiert. So ironisieren Weill und Brecht treffend die kleinbürgerliche Doppelmoral jeder Gesellschaft, die bereit ist, für Wohlstand ihre Werte und ihre Persönlichkeit zu opfern.
 „Es ist das übliche Durcheinander. Natürlich hat sich unter den Anhängern des alten Russenballetts eine kleine Partei gebildet, die unser Ballett als zu wenig „Ballett“ findet und nicht genug „reine Choreographie“. Dadurch hat es in den letzten Tagen große Kräche gegeben […] Balanchine steht zwar zwischen den Parteien, hat aber ausgezeichnet gearbeitet und tatsächlich einen Darstellungsstil gefunden, der zwar sehr tänzerisch, aber doch sehr real ist.“
- Kurt Weill in einem Bericht  über die Probenarbeiten an Bertolt Brecht

Das 35-minütige Werk wird bis zum 28. Mai an vier weiteren Abenden in Strasbourg aufgeführt. Außerdem präsentiert das Théâtre municipal die Produktion in Colmar  am 5. Juni, ebenso wie La Sinne in Mulhouse am 13. und 15. Juni. Am 22. Juni ist Die sieben Todsünden darüber hinaus zum letzten Mal in dieser Spielzeit am Staatstheater Braunschweig zu sehen.

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Foto: Staatstheater Braunschweig / Thomas M. Jauk

Werk der Woche – Chaya Czernowin: Guardian

In der intensiven Beschäftigung mit den Eigenschaften von Zeit fand Chaya Czernowin die Inspiration für ihr neues Werk Guardian. Am 22. Oktober 2017 wird es vom SWR-Sinfonieorchester im Abschlusskonzert der Donaueschinger Musiktage in der BAAR Sporthalle Donaueschingen uraufgeführt. Pablo Rus Broseta dirigiert das Konzert für Cello und Orchester, mit der Solistin Séverine Ballon, der Czernowin das Werk gewidmet hat.



Im Traum durchlebt der Mensch einen Zeitraum von mehreren Stunden oder Tagen innerhalb weniger Minuten. Das Gehirn erschafft dabei eine grenzenlose andere Welt, in der die Zeit dehnbar und komprimierbar ist. Dabei verarbeiten wir Erlebnisse oder erträumen uns eine zweite Wirklichkeit. Auf diese Weise arbeitet auch Czernowins ich ihrer Komposition Guardian, sodass sie damit eine düstere Traumwelt erschafft, in der die Zeit formbar wirkt. In der Musik entsteht ein Gegenentwurf zur realen Welt.

Chaya Czernowin – Guardian:  Frage nach Zeit und Identität


Czernowin bedient sich den klassischen Elementen des Solokonzerts, mit einer geläufigen Aufteilung von Solo- und Tutti-Passagen und einer Kadenz des Cellos kurz vor Schluss. Die Rollenverteilung unter der Oberfläche ist jedoch eine andere: Immer wieder fusionieren die beiden Klangkörper und lösen sich wieder voneinander. Das Cello entwickelt sich aus dem Orchester heraus, um mit wachsendem Klang dieses wieder in sich aufzunehmen. Umgekehrt lässt Czernowin das Orchester agieren, als sei es ein Cello, indem beispielsweise in den Bläsern mehr Luft als Töne zu hören sind, was an das Spielen auf dem Steg erinnert, oder wenn alle Instrumente clusterartig im dreifachen Pianissimo zu einem Klang verschmelzen.

In einem Moment singt das Cello auf zerbrechliche Weise, im anderen tönt es gewaltig wie ein wildes Tier. Für die extreme dynamische Bandbreite wird das Cello von zwei Lautsprechern unterstützt, damit auch die leisesten Partien noch im ganzen Saal zu hören sind. Czernowin nutzt jede denkbare Möglichkeit der Instrumente, nicht nur Klänge, sondern auch Geräusche zu erzeugen, um Nuancen und Farben zu kreieren, mit denen sie den Hörer in eine andere Welt versetzt.

Guardian ist ein fließendes Wechselspiel aus dem ständigen Verschmelzen und sich voneinander Lösen zweier Klangkörper. Orchester und Soloinstrument agieren als gleichwertige, sich gegenseitig unterstützende Partner.
Die offene Form in der […] visuellen Computerarbeit ermöglicht die multidimensionale Entwicklung von Objekten […], da jederzeit der eine oder andere Parameter der Gestalt in den Vordergrund tritt und die Gesamtform beeinflusst. Auf diese Weise denkt das Konzert. – Chaya Czernowin

Am 17. November folgt die luxemburgische Erstaufführung im Rahmen des Festival rainy days der Philharmonie Luxembourg. Séverine Ballon tritt mit dem Orchestre Philharmonique du Luxembourg unter der Leitung von Roland Kluttig auf.