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Werk der Woche – Toshio Hosokawa: The Flood

In der Philharmonie de Paris findet am 16. September die Uraufführung eines neuen Werks von Toshio Hosokawa statt. Das Ensemble intercontemporain unter der Leitung von Matthias Pintscher präsentiert The Flood, ein Ensemblestück, das gemeinsam mit dem Ojai Music Festival bei dem japanischen Komponisten in Auftrag gegeben worden war. Eigentlich hätte es schon im Juni bei dem kalifornischen Festival erstmals gespielt werden sollen; wegen der Corona-Pandemie musste die Veranstaltung jedoch ausfallen. 



In The Flood setzt Hosokawa die Verarbeitung eines japanischen Traumas fort. Bereits in mehreren seiner jüngeren Werke befasste er sich mit dem Tōhoku-Erdbeben von 2011 und der daraus resultierenden Tsunami-Katastrophe. Für Hosokawa und die Kultur Japans bedeutete dies einen Einschnitt im Verhältnis von Mensch und Natur, das zuvor von Bewunderung und Liebe geprägt war, die sich in Furcht und Skepsis verwandelten. 

Toshio Hosokawa – The Flood: im Zweiklang mit der Natur


Das Ensemble intercontemporain stellt The Flood in den Kontext seines Projekt “Genesis”, in dem es das achte neue Stück mit Bezug zur Schöpfung ist. Hosokawa setzt die Wasserwellen hier in Schallwellen und -wirbel um, die sich mit Crescendo und Decrescendo wiederholen und durchdringen und versucht damit, Angst und Verzweiflung im Angesicht der entfesselten Natur zu illustrieren.
Die Flut ist den Japanern gut bekannt; nicht nur der Tsunami im Jahr 2011, sondern auch Taifune, starker Regen und Überschwemmungen haben uns häufig getroffen. Wütende Fluten zeigen uns die Kräfte der Natur und erfüllen uns gleichzeitig mit Angst, Ehrfurcht und Respekt.  Toshio Hosokawa


 

Fotos: Kazuko Ishikawa, Adobe Stock / Lichtbildmaster

Werk der Woche - Jörg Widmann: Babylon

Im Rahmen des Festival Présences wird am 16. Februar 2019 die Babylon-Suite von Jörg Widmann im Grand Auditorium de Radio France in Paris aufgeführt. Das Orchestre National de France spielt unter der Leitung von Nicholas Collon. Die Aufführung wird begleitet von Videoinstallationen von Studierenden der École Estienne.

Die Babylon-Suite ist an Widmanns Oper Babylon angelehnt. Sie extrahiert die Essenz der monumentalen und groß besetzten Oper in ein etwa 30-minütiges Werk. Widmann verlegte dabei die Singstimmen nicht einfach in einzelne Instrumentalstimmen, vielmehr ging es ihm darum, den Stimmklang möglichst gut in die Orchestersprache einzupassen, selbst wenn dafür Veränderungen bis hin zur Neukomposition nötig waren. Die Suite ist von einem vielfältigen und großen Schlagwerkapparat geprägt und verbindet ganz verschiedene musikalische Elemente wie lyrische Melodien, majestätische Hymnen und volkstümliche Marschmusik.

Jörg Widmann – Babylon-Suite: Schwesterwerk der Oper


Die Oper Babylon basiert auf einem Libretto des Kulturwissenschaftlers und Philosophen Peter Sloterdijk. Zusammen mit Widmanns Musik entsteht eine ganz eigene Interpretation des biblischen Mythos über die Stadt Babylon, die den Fokus nicht auf den Turmbau und die göttliche Strafe dafür legt. Stattdessen setzt sie sich mit dem Zusammenleben der verschiedenen Kulturen in der Stadt und deren gesellschaftlicher Ordnung auseinander.

Protagonist der Oper ist Tammu, ein Jude im babylonischen Exil, der sich in der Fremde aber gut eingelebt hat. Er ist gefangen zwischen zwei unterschiedlichen Frauen: Die Seele, seine jüdische Gefährtin, liebt er wie eine Schwester, von der babylonischen Priesterin Inanna hingegen fühlt er sich sexuell angezogen. Als Tammu als Menschenopfer für die Götter hingerichtet wird, sind beide Frauen in ihrer Trauer verbunden. Inanna gelingt es jedoch, ihren Geliebten Tammu aus dem Totenreich zu retten und dadurch die Grundlage für eine neue gesellschaftliche Ordnung in Babylon zu legen. Denn die Rettung Tammus hat die Sinnlosigkeit von Menschenopfern aufgezeigt.

In den beiden Frauenfiguren spiegeln sich ihre verschiedenen Kulturen wider: die monotheistische und monogame Kultur der jüdischen Bevölkerung, die auch im Exil erhalten bleibt, und die multikulturelle babylonische Kultur, die vielen Göttern und der freien Liebe huldigt. Das zeigt sich besonders stark im fünften Bild, in der die jüdische Bevölkerung einen Klagepsalm anstimmt ("An den Wassern von Babel, da saßen wir und weinten, wenn wir an Zion dachten."), während die Babylonier in einer ausgelassenen Zeremonie ihren Göttern huldigen. Widmann vertont diese Stelle als fulminante Steigerung, für die er einen 17-stimmigen Kontrapunkt verwendet und das Orchester in bis zu 70 Stimmen aufteilt.
„Meine Aufgabe als Komponist war es, die widerstreitenden Energien so drastisch wie möglich in ihrer Unterschiedlichkeit zu formulieren und trotzdem eine Möglichkeit zu finden, dass die Szenen ein Ganzes ergeben. Das Bauprinzip der Oper gleicht, beginnend mit einem riesigen Fundament und sich nach oben verjüngend, dem Babel-Turm.“
(Jörg Widmann)

Am 9. März 2019 kommt in der Staatsoper Unter den Linden in Berlin eine neu überarbeitete Fassung der Oper zur Uraufführung. In der Inszenierung von Andreas Kriegenburg sind dort Mojca Erdmann als Die Seele, Susanne Elmark als Inanna und Charles Workman als Tammu zu sehen, es dirigiert Christopher Ward. Schon einige Tage vorher, am 25. und 26. Februar 2019, stimmt Generalmusikdirektor Daniel Barenboim das Berliner Publikum mit der Babylon-Suite auf die neue Opernproduktion ein. Ob als Oper oder als Suite - der Babylon-Mythos ist in Widmanns Kompositionen lebendig und vermag es, uns zu einem anderen Blick auf unsere heutigen gesellschaftlichen Herausforderungen zu verhelfen.

 

 

Foto: Bayerische Staatsoper München / Wilfried Hösl

Werk der Woche - Peter Eötvös: The Sirens Cycle

Homer, James Joyce und Franz Kafka - Texte dieser so unterschiedlichen Autoren vertont Peter Eötvös in seinem neuen Werk The Sirens Cycle. Am 1. Oktober 2016 ist das Streichquartett mit Koloratursopran zum ersten Mal zu hören. Piia Komsi und das Calder Quartet bringen es in der Wigmore Hall London zur Uraufführung.



Als Arnold Schönberg in seinem 2. Streichquartett erstmals eine Sopranstimme notierte, entstand eine folgenreiche Besetzungsvariante des modernen Streichquartetts. Alban Bergs Lyrische Suite und Egon Welesz' Sonnets for Elizabeth Barrett Browining trugen zur ihrer Etablierung bei, jüngere Beiträge stammen unter anderem von Brett Dean (String Quartet No. 2) und Jörg Widmann (Versuch über die Fuge).

The Sirens Cycle: Das Schweigen der Sirenen


Eötvös wählt drei literarische Versionen des mythologischen Odysseus und dessen Begegnung mit den Sirenen. Jede lässt er in der originalen Sprache von der Sopranistin in einem eigenen Abschnitt singen. Der erste Teil, "Joyce", nimmt mit seinen sieben Sätzen den größten Raum ein. Aus dem ohnehin lose zusammenhängenden Stream-of-consciousness-Roman Ulisses wählt Eötvös einzelne Gedanken, Phrasen, Worte. Aus Homers Odýsseia folgt hingegen ein zusammenhängender Abschnitt, ebenso aus Kafkas Das Schweigen der Sirenen. Musikalisch verleiht Eötvös dem Joyce-Teil einen arios-expressiven Charakter, während er bei Homer zu einem liedhaften und bei Kafka zu einem rezitativischen Gestus greift.

The Sirens Cycle existiert auch in einer Fassung mit Zwischenspielen aus elektronischen Klängen. Dabei wurden vom Pariser IRCAM/Centre Pompidou, Mitauftraggeber des Stücks, die Texte mit Spektralanalysen in Tonhöhen, -dauern und -farben übersetzt.
Die Negation des Gesanges in Franz Kafkas Das Schweigen der Sirenen inspirierte mich, ein Stück zu schreiben, das über das Singen an sich reflektiert. Ich sah mich in der Musikliteratur nach Beispielen für die Verbindung von Sopran und Streichquartett um und fand, dass sowohl Arnold Schönberg als auch Jörg Widmann überzeugende Lösungen gefunden haben. Peter Eötvös

Nach der Uraufführung in London begibt sich das Calder Quartet mit der Sopranistin Audrey Luna auf Tour mit The Sirens Cycle. Es folgen Erstaufführung in der Schweiz (2. Oktober, Zürich), Spanien (3. Oktober, Madrid) und Deutschland (5. Oktober, Frankfurt am Main). Die Fassung mit Elektronik ist erstmals am 12. Oktober in Paris zu hören und ist am 15. Oktober Teil des Programms der Donaueschinger Musiktagen.

Werk der Woche - Andrew Norman: Play: Level 1

Das Los Angeles Philharmonic Orchestra hat auf seiner USA- und Europa-Tournee ein Stück von Andrew Norman im Gepäck: Seit dem 25. Februar hat Gustavo Dudamel Play: Level 1 bereits in Los Angeles und New York dirigiert. Am 19. März folgt die europäische Erstaufführung in der Philharmonie Paris.

"Spielen" ist für Norman nicht nur ein unbeschwerter Zeitvertreib für Kinder. Er beschäftigt sich in seiner Komposition ausführlich mit dem Begriff. Das Wort findet in verschiedenen Kontexten Verwendung, etwa im Instrumentenspiel, dem Theaterspiel oder auch  Videogames. Nach seinem Verständnis wird ein Orchester zum Theaterensemble, wenn es auf der Bühne ein Konzert gibt. Gleichzeitig besteht es aus vielen einzelnen Spielern, die entweder zusammen oder gegeneinander spielen können. Angeleitet wird das Instrumentalspiel dabei vom Dirigenten, der wie ein Marionettenspieler alle Fäden in der Hand hält. So kann der Begriff "Spiel" auch einen negativen Beigeschmack erhalten: Durch die Kontrolle einer einzigen, autoritären Instanz können Manipulation und Betrug begünstigt werden.

Musik, die ins nächste Level aufsteigen will


Der Titel Play: Level 1 weist auf die Verbindung zu Videospielen hin. Das Stück ist der Beginn einer dreiteiligen Komposition, die von Level 1 bis Level 3 aufsteigt. Der gesamte Zyklus war 2013 in Boston uraufgeführt worden. Norman erklärt sein Werk so:
Vieles in diesem Stück befasst sich damit, wer auf wem spielt. Die Schlagzeuger zum Beispiel verwenden einen großen Teil ihrer Zeit darauf, auf dem Orchester zu „spielen“, als wäre es ein Instrument (so, wie sie selbst als Instrument vom Dirigenten „gespielt“ werden. Dieser wird wiederum von der Partitur „gespielt“). Einige Schlaginstrumente übernehmen die Rolle eines Schalters: Sie schalten unterschiedliche Spieler an und auch wieder aus, lassen sie (teils im Spaß, teils im Ernst) lauter oder leiser spielen, vorwärts oder rückwärts, schneller oder langsamer. Sie spulen die Musik zurück und lassen sie nochmals wiederholen; immer darauf bedacht, einen Weg aus dem Labyrinth zu finden und zu einem höheren Level weiterzukommen. - Norman

Am 21. März setzt das Los Angeles Philharmonic Orchestra seine Reise durch Europa fort. Dann spielt es die luxemburgische Erstaufführung von Play: Level 1 in der Philharmonie Luxembourg und zum Abschluss der Tournee am 22. März in der Barbican Hall in London die britische Erstaufführung.

Werk der Woche - Thierry Pécou: Soleil rouge

Soleil rouge heißt das neue Werk von Thierry Pécou, das am 5. Februar 2016 im Auditorium de Radio France in Paris uraufgeführt wird. Das Orchestre Philharmonique de Radio France spielt das Trompetenkonzert unter dem Dirigat von Mikko Franck und mit dem Solisten Håkan Hardenberger (Foto).

Für viele seiner Werke ist Pécous Inspiration außereuropäischen Ursprungs. Begründet ist dies einerseits in seiner persönlichen Verbindung zu den französischen Antillen - von dort wanderten seine Vorfahren einst nach Frankreich aus. Andererseits regen ihn Reisen zu unterschiedlichen Ländern und Völkern immer wieder zu seinen Kompositionen an. So bezieht er sich etwa in seiner großen Symphonie du Jaguar auf die indianische Kultur im präkolumbianischen Amerika, für das Orchesterstück Orquoy ließ er sich von der Musik der alten Zivilisationen in den Anden inspirieren. Die spezielle Verbindung dieser Musikkulturen mit der europäischen Tradition ist eines der Markenzeichen für Pécous Kompositionen.

Soleil rouge: Ein Konzert über Visionen und Träume


Das neue Stück bezieht sich auf die indigenen Kulturen Nordamerikas. Dazu reiste Pécou in die Reservate verschiedener Stämme, wo er die zeremonielle Musik der Eingeborenen kennenlernte. Vor diesem Hintergrund ist sein Konzert für Trompete und Orchester entstanden, wie er selbst beschreibt:
Dieses Konzert entstand während meiner Reise zu den Indianern Nordamerikas. Zwei wichtige Elemente der zeremoniellen Musik dieser Völker, der Gesang und das Pulsieren der Trommel, werden durch die Trompete und die vielfältig gemischten Klangfarben des Orchesters aufgegriffen. Die Trommel begleitet nicht; sie ist die Quelle, das eigentliche Zentrum des Klangs. Auch das Zusammenspiel der Solotrompete mit dem Orchester, dem sie gegenübersteht, ist speziell: Das Orchester ist weder "Verlängerung" des Solisten noch sein "Resonanzkörper", sondern trägt ihn wie ein Energiezentrum, kreiert die Melodien, die Akkorde, die Klangfarben, während die Trompete die Geister beschwört und die Visionen und Träume schildert, die durch die Erweiterung des Bewusstseins hervorgerufen werden. - Thierry Pécou

Hardenberger führt häufig zeitgenössische Trompetenkonzerte aus dem Katalog von Schott Music auf. So hat er schon wiederholt das populäre Konzert Nobody knows de trouble I see von Bernd Alois Zimmermann interpretiert. Dieses Stück spielt er in Kürze auch wieder in Deutschland: Am 27. Februar, 29. Februar und 1. März 2016 präsentiert er es unter der musikalischen Leitung von Andris Nelsons mit der Sächsischen Staatskapelle Dresden in der Semperoper.

Foto : Marco Borggreve 

Werk der Woche - Giuseppe Verdi: Don Carlo

Am 16. Januar 2016 feiert Giuseppe Verdis Don Carlo an den Landesbühnen Sachsen in Radebeul in der Inszenierung von Michael Heinicke Premiere. Die musikalische Leitung hat Jan Michael Horstmann inne. Das Theater verwendet das Aufführungsmaterial der revidierten Neuausgabe der Verlagsgruppe Hermann, das in der Reihe "Edition Meisterwerke" erschienen und bei Schott erhältlich ist. Die Ausgabe zeichnet sich durch einen neuen Notensatz, vereinheitlichte Partituren, Stimmen und Klavierauszüge und umfangreiche Korrekturen gegenüber den Erstausgaben aus.

Die Oper Don Carlo zeigt, wie Liebe und Eifersucht die Politik beeinflussen können. Um das Jahr 1560 stehen Spanien und Frankreich kurz vor einem Friedensschluss, der mit der Hochzeit des spanischen Königs Philipp und der französischen Prinzessin Elisabeth besiegelt werden soll. Diese jedoch ist in den Sohn des Königs, Infant Carlos, verliebt. Pflichtbewusst entscheidet sie sich gegen die Liebe und für die Politik – sie heiratet König Philipp. Dies ist der Ausgangspunkt für die Oper. Im Folgenden prägen Eifersucht und Liebeskummer die Beziehungen der Figuren und ihr Handeln.

Verdis Kompositionsstil in Don Carlo


Verdi hinterließ mehrere Fassungen von Don Carlo. Erstmals vertonte er den Stoff 1867 in fünf Akten für die Opéra in Paris. An unterschiedlichen Aufführungsorten wurden einige Änderungen vorgenommen, bis am 10. Januar 1884 eine kürzere Fassung am Teatro alla Scala in Mailand aufgeführt wurde. Die Landesbühnen Sachsen führen nun die spätere, vieraktige Fassung auf. In Don Carlo verabschiedet sich Verdi vom traditionellen Arien-Typus des Belcanto. Stattdessen komponiert er dramatische Soloszenen, wofür unter anderem König Philipps Monolog "Ella giammai m’amo" ("Sie hat mich nie geliebt") ein Beispiel ist. Die dramatische Stimmung einzelner Szenen wird zudem noch durch eine größere Selbstständigkeit des Orchesters verstärkt.
Nun bin ich also ein perfekter Wagnerianer! Hätten die Kritiker nur ein wenig aufgepasst, so hätten sie gemerkt, dass die gleichen Dinge bereits im Terzett des "Ernani", in der Nachtwandel-Szene des "Macbeth"und in manchem anderen meiner früheren Stücke stehen. Die Frage ist auch nicht, ob Don Carlo in einem bestimmten Stil komponiert ist oder nicht, sondern nur, ob die Musik gut oder schlecht ist. (Verdi in einem Brief vom 1. April 1867 an Léon Escudier)

Nach der Premiere am 16. Januar folgen bis zum 24. April 2016 noch fünf weitere Aufführungen von Don Carlo in Radebeul, Eisleben und Bad Elster.

Foto: Landesbühnen Sachsen / Hagen König